Ende der Suspendierung der Insolvenzantragspflicht ab 1. Mai 2021?

Die Regelung des § 1 COVInsAG – Oder: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben…

I. Überblick

Das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (CoVInsAG) vom 27. März 2020 enthält in seiner aktuellen Fassung in § 1 Regelungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflichten gem. § 15a InsO wegen Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung. Der Tatbestand wurde mehrfach geändert und so der sich ebenfalls alles andere als statisch entwickelnden Pandemie angepasst. 

Entgegen der landläufigen Meinung gerade bei von der Krise betroffenen Unternehmern, dass es sich bei dieser Regelung um eine pauschale, inhaltlich unverändert verlängerte und vollumfängliche Aussetzung der Antragspflicht handelt, beinhaltet § 1 CoVInsAG verschiedene Regelungen, die in Abhängigkeit vom dort normierten Anwendungszeitraum nur eine partielle Aussetzung der Insolvenzantragspflichten nach sich ziehen und zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen enthalten. 

Unabhängig von diesen Einzelfragen ist nach jetzigem Stand davon auszugehen, dass die in § 1 CoVInsAG normierten Ausnahmeregelungen ab dem 1. Mai 2021 auslaufen. 

II. Im Einzelnen

Eine pauschale Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung galt lediglich befristet bis zum 30. September 2020 (§ 1 Abs. 1 CoVInsAG). Voraussetzung war bzw. ist, dass die Insolvenzreife „auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht“ und „Aussichten darauf bestanden“, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Zu letzterem galt eine Vermutungsregel zugunsten des Betroffenen: War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Gem. § 1 Abs. 1 CoVInsAG wurde im Anschluss, d.h. für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020, alleine die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung „nach Maßgabe des Absatzes 1“ ausgesetzt. Bedingung für die Inanspruchnahme dieser Regelung war neben dem Vorliegen einer Überschuldungs das Vorliegen der in Abs. 1 zusätzlich aufgeführten Umstände: Die Überschuldung musste auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruhen und es musste die Aussicht darauf bestehen, dass die – häufig erst infolge der Inanspruchnahme staatlicher Coronahilfen – eingetretene Überschuldung beseitigt werden kann. Entsprechend des uneingeschränkten Verweises dieser Regelung auf § 1 Abs. 1 CoVInsAG („nach Maßgabe des Abs. 1 ausgesetzt“), muss auch hier eine entsprechende Vermutungsregel Anwendung finden. 

§ 1 Abs. 3 CoVInsAG wiederum, der den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 erfasst, sieht die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (lediglich) für solche Antragsverpflichtete vor, die bzw. deren Organe zwischen dem 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 „einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen (…) zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben“. Die Insolvenzantragspflicht – sowohl wegen Zahlungsunfähigkeit als auch wegen Überschuldung – ist somit suspendiert, wenn ein entsprechender Antrag auf Erhalt der im Zuge der Corona-Pandemie aufgelegten Hilfsprogramme gestellt worden ist, diese aber aufgrund der teilweise extrem langen Bearbeitungszeit noch nicht gewährt wurden. Eine Ausnahme hiervon gilt gem. § 1 Abs. 3 S. 2, wenn der Antrag auf Gewährung staatlicher Corona-Hilfen „aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb dieses Zeitraums nicht möglich war“. In diesen Fällen gilt die Insolvenzantragspflicht ebenfalls als suspendiert, wenn das betroffene Unternehmen nach den Bedingungen der staatlichen Überbrückungshilfen und Förderprogramme theoretisch „antragsberechtigt“ (nicht: „bezugsberechtigt“) gewesen wäre.

§ 1 Abs. 3 S. 3 CoVInsAG stellt für beide Fälle jedoch klar, dass die Insolvenzantragspflicht in den Fällen des Abs. 3 unverändert fortgilt, wenn „offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.  

III. Conclusio

§ 1 CoVInsAG enthält keineswegs eine pauschal geltende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht seit dem (rückwirkenden) Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. März 2020. Neben der entscheidenden Frage, welcher konkrete Insolvenzgrund vorliegt, sind zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen, um nicht in die Gefahr einer persönlichen Haftung und strafrechtlichen Verfolgung zu geraten. Ob diese Bedingungen im Einzelfall erfüllt sind oder nicht, wird im Rahmen der Aufarbeitung der in absehbarer Zeit erwarteten Welle an Insolvenzverfahren und der damit einhergehenden hohen Zahl an Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung im Einzelfall zu prüfen und zu diskutieren sein. Die in § 1 CoVInsAG verwendeten Tatbestandsmerkmale („beruhen“, „Aussicht darauf bestehen“, „antragsberechtigt“ (nicht bezugsberechtigt), „offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung“, „aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war“ etc.) weisen bereits jetzt auf eine Vielzahl von Verteidigungsansätzen hin. 

In Zuge der anstehenden Ermittlungsverfahren werden Staatsanwaltschaften auch hinterfragen, ob bezogene „Corona-Hilfen“ in der Rückschau ggfls. zu Unrecht bezogen worden sind. Derartige Fälle häufen sich bereits jetzt, mit der Folge der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bzw. dessen Erweiterung wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs. 

Für den Fall, dass die geltenden Corona-Ausnahmeregelungen nicht doch noch über den 30. April 2021 hinaus verlängert werden, dürften sich diese praktischen Fragen absehbar stellen. Dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich ab dem 1. Mai eine „Insolvenzantragswelle“ losbricht, oder ob in Anbetracht der weiterlaufenden staatlichen Hilfsprogramme (u.a. Kurzarbeitergeld) noch einige Monate vergehen, bevor Unternehmen denn Gang zum Insolvenzgericht antreten.

So oder so gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben…

Haben Sie bzw. Ihr Unternehmen im Zuge der Corona-Pandemie staatliche Förderprogramme in Anspruch genommen und befürchten, dass hieraus ein strafrechtlicher Vorwurf resultieren könnte? Sind Sie unsicher, ob Sie für Ihr Unternehmen Insolvenzantrag stellen müssen, wenn die Ausnahmetatbestände nunmehr (endgültig) aufgehoben werden?

Sprechen Sie uns an, rixe.law berät im Vorfeld und verteidigt, sollte es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kommen.