In der Ausgabe 09/24 des juris PraxisReports Strafrecht haben wir uns mit dem Beschluss des BGH vom 10.01.2024 – 2 StR 171/23 befasst und ihn in seinen Auswirkungen mit dem gegenläufigen Beschluss des LG Hamburg vom 06.06.2024 – 621 Qs 32/24 verglichen.
Der BGH hatte in seinem Beschluss im Rahmen einer Revision des Angeklagten über die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer sog. Funkzellenabfrage gemäß § 100g Abs. 3 StPO zu entscheiden. Bei einer Funkzellenabfrage fragen die Ermittlungsbehörden Telekommunikationsverbindungsdaten ab, die in einer bestimmten, räumlich begrenzten Funkzelle in einem konkreten Zeitraum angefallen sind. Ziel der Maßnahme ist es, sich einen Überblick über mögliche Tatverdächtige zu verschaffen oder weitere Anhaltspunkte zur Aufklärung des Sachverhalts zu erlangen. Die Maßnahme ist nicht zuletzt deshalb datenschutzrechtlich problematisch und grundrechtsrelevant, da durch sie nicht nur die Verbindungsdaten des von der Maßnahme Betroffenen abgefragt werden, sondern auch die einer Vielzahl weiterer (unbeteiligter und insbesondere unverdächtiger) Personen.
Im vorliegenden Fall war die Funkzellenabfrage auf der Grundlage eines ermittlungsrichterlichen Beschlusses wegen des Verdachts eines besonders schweren Falls des Diebstahls nach §§ 242, 243 StGB erfolgt. Da es sich hierbei nicht um eine Tat aus dem abschließenden Katalog des § 100g Abs. 2 S. 2 StPO handelt, der nur besonders schwere Straftaten wie beispielsweise Hochverrat, Mord oder Brandstiftung enthält, widersprach die Verteidigung in der Hauptverhandlung zunächst der Verwertung als Beweismittel und legte sodann Revision gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main (Urt. v. 03.06.2022 – Az. 5/16 KLs – 11/21) ein.
Der BGH hat sich in der Folge klar positioniert: Fehle es am Verdacht einer Katalogtat nach § 100g Abs. 2 S. 2 StPO, sei eine Funkzellenabfrage rechtswidrig. Nach dem 2. Strafsenat folgt daraus vor dem Hintergrund der Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG sowie des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG zudem ein Beweisverwertungsverbot, wobei er wegen der vergleichbaren Regelungssystematik auf die Rechtsprechung zur Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100a StPO rekurriert (BGH, Urt. v. 17.03.1983 – 4 StR 640/82).
Diese verteidigerfreundliche Entscheidung hat unter Rechtsanwälten wegen ihrer klaren Ansage an die Ermittlungsbehörden Zustimmung erfahren – auch wenn sich das LG Hamburg kein halbes Jahr später mit seinem Beschluss vom 06.06.2024 davon abgekehrt hat.
Darin gibt die 21. Große Strafkammer die in ihren vorherigen Beschlüssen vertretene Rechtsauffassung, die auf der Linie des BGH lag (vgl. Beschl. v. 23.05.2024 (621 Qs 28/24) und Beschl. v. 24.05.2024 (621Qs 29/24)) auf und verneint das Erfordernis des Vorliegens einer Katalogtat nach § 100g Abs. 2 S. 2 StPO für die Rechtmäßigkeit einer Funkzellenabfrage. Stattdessen soll dem LG Hamburg zufolge etwa der Verdacht eines gewerbsmäßigen Bandenbetruges nach § 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 und S. 2 Nr. 1, Abs. 5 StGB zur rechtmäßigen Anordnung dieser weitreichenden Maßnahme ausreichend sein.
Die Entscheidungen weiterer Instanzgerichte bleiben abzuwarten.
Die viel diskutierte Entscheidung des BGH und deren Auswirkungen für die Praxis sowie der Beschluss des LG Hamburg werden in Ausgabe 09/24 des juris PraxisReports Strafrecht von Dr. Nikolaus Rixe und Olivia Wissemann ausführlich dargestellt. Der Beitrag ist hier abrufbar.